Mittwoch, 17. April 2024

Das Totengräberhaus in Nürnberg-Wöhrd

Grab von Veit Stoß auf dem St. Johannisfriedhof in Nürnberg
Das ehemalige Totengräberhaus des evangelischen Friedhofs in Nürnberg-Wöhrd entstand im 17. Jahhundert und wurde vor einiger Zeit als Baudenkmal aufwändig instandgesetzt. (Ein hübsches Bild des Friedhofs aus dem 18. Jh., der wie die beiden berühmteren Nürnberger St. Johannis- und St. Rochusfriedhof ebenfalls mit liegenden Grabsteinen - s. Abb rechts - besetzt ist, gibt es hier zu sehen.)

 Seit dem letzten November ist dort eine  Dauerausstellung zu sehen, in der am authentischen Ort, also in den früheren Wohnräumen des jeweiligen Totengräbers, die Geschichte von Wöhrd mit dem Schwerpunkt auf dem Friedhof, der heute noch in Betrieb ist, vorgestellt wird. Neben der einstigen Begräbniskultur, werden auch die Lebensumstände der Menschen beleuchtet, die in Wöhrd lebten und begraben sind, aber auch die jener Menschen, die auf dem Friedhof arbeiteten. Audiostationen und besondere Objekten aus dem Alltag des Totengräbers laden zudem dazu ein, sich auch mit der eigenen Vergänglichkeit auseinander zu setzen.

Zusammen mit dem heutigen Wöhrder Friedhof wurde eine Kapelle an der Südwestecke errichtet, die im Zweiten Weltkrieg völlig zerstört wurde. Zuvor hatte die Einwohner von Wöhrd ihre Toten bei der dortigen St. Bartholomäuskirche beerdigt. Dieser Kirchhof wurde am 16. Mai 1529 geschlossen und an den heutigen Ort vor die östlichen Stadtmauern an der Kreuzung der Wege nach St. Jobst und Mögeldorf verlegt. Der historische Teil des -1562 und 1642 nach Süden, 1882 nach Norden erweiterten - Friedhofs weist die für Nürnberg typischen liegenden, genormten Grabsteine auf. 1632/34 wurden dort viele Pestopfer aus dem schwedischen Regiment von Hastver beerdigt. 1662 wurde das noch stehende Totengräberhäuschen in der Mitte des Friedhofs errichtet. 

Angeregt wurde die Dauerausstellung von der Gemeinde St. Bartholomäus in Wöhrd, der der Friedhof gehört. Die Umsetzung wurde durch die Altstadtfreunde e. V., den Verein für Geschichte der Stadt Nürnberg e. V., den Vorstadtverein Nürnberg Wöhrd von 1877 e. V. sowie durch private Spendenbeiträge gefördert und von Dr. Antonia Landois, Alice Olaru M. A. und Helge Weingärtner M. A. vom Stadtarchiv Nürnberg inhaltlich erarbeitet.

Friedhof Wöhrd, Totengräberhaus Wöhrd, 1. Stockwerk, Bartholomäusstraße 44, 90489 Nürnberg. Der Zugang zur Ausstellung ist aufgrund der historischen Bausubstanz nicht barrierefrei. Öffnungszeiten Di-Fr 10-16 Uhr 

Laut der Website des Nürnberger Stadtarchivs soll im zweiten Quartal 2024 eine Online-Präsentation der Ausstellungsinhalte erfolgen. Die Informationen zu dem Friedhof sind der Zeitschrift Norica, Sept. 2018, S.85 entnommen. 

Zu dem Bild oben: Es zeigt jene liegenden Platten, die seit dem Erlaß des Nürnberger Rates von 1520 vorgeschrieben waren, um die Gleichheit im Tode zu sichern. So ähnlich sehen auch die Grabmale auf dem Wöhrder Friedhof aus. Bildnachweis: Von Tilman2007 - Eigenes Werk, CC BY-SA 4.0, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=62339852


Dienstag, 16. April 2024

Jubiläumsjahr: 160 Jahre Zwölf-Apostel-Kirchhof

Screenshot der Seite der Zwölf-Apostel-Kirchengemeinde zu den Jubiläumsveranstaltungen
Der Zwölf-Apostel-Kirchhof in Berlin feiert in diesem Jahr sein 160jähriges und die zugehörige Kirche ihr 150jähriges Bestehen mit einem Jubiläumsjahr, zu dem eine Reihe von Veranstaltungen gehören. So gibt es schon am Freitag 19.4. einen Vortrag: "Schöneberg auf dem Weg nach Berlin" und am 26.4. macht der Friedhof mit einer Lesung auf "Die Affäre Kießling" von 1984 aufmerksam. Bis zum Oktober folgen dann mindestens zwei bis drei interessante Veranstaltungen im Monat, darunter Konzerte, Führungen und eine große Jubiläumsnacht des Friedhofs. Man findet alle Veranstaltungen unter diesem Link. Darunter ganz am Ende im Dezember dann leider auch eine Abschiedveranstaltung für den langjährigen und sehr aktiven Öffentlichkeitsbeauftragten des Friedhofs "Au Revoir - Bertram von Boxberg sagt auf Wiedersehen!", bei der ein Rückblick auf die Vielzahl von Veranstaltungen und Ereignissen gewagt wird, mit denen die Kirchhöfe in den letzten elf Jahren der Öffentlichkeit präsentiert wurden. Dabzu heißt es: "Es gibt unter anderem kleine Video Beispiele, die von Stephan von Bothmer begleitet werden. Hinter allem steht die Frage - wie funktioniert das eigentlich - Öffentlichkeitsarbeit für Friedhöfe?" - ein wichtiges und interessantes Thema!

Dienstag, 12. März 2024

Florian Greiner: Die Entdeckung des Sterbens

Cover von "Die Entdeckung des Sterbens", De Gruyter Wissenschaftsverlag
Obwohl das Buch von Florian Greiner sich nicht direkt auf historische Friedhöfe bezieht, möchte ich es hier doch vorstellen, weil darin die Entwicklung des Themas Tod und Sterben in unserer jüngsten - deutsch-deutschen - Geschichte grundlegend untersucht wird. Dieses Thema und die Einstellungen zu Sterben und Tod beeinflussen auch den Umgang mit Bestattungen, Friedhöfen und Orten der Erinnerung.

Der Historiker hat in seiner Habilitationsschrift die kulturellen und zeithistorischen Veränderungen des Umgangs mit dem Sterben nach 1945 untersucht. Dabei stehen, wie erwähnt, nicht so sehr Bestattungs- und Erinnerungskultur, sondern sozusagen die „Sterbekultur“ im Focus. Allerdings erfolgen im Laufe der Arbeit immer wieder kursorische Seitenblicke auf den Bereich der Trauer-, Friedhofs- und Bestattungskultur. Die sehr umfangreiche und akribisch recherchierte Studie wurde mit dem Mieczysław-Pemper-Forschungspreis der Universitätsstiftung Augsburg ausgezeichnet.

Der Titel der Untersuchung bildet zugleich die zentrale These der Arbeit (S. 3): Dem Autor geht es dabei darum, dass seiner Lesart nach das Sterben nach 1945 zu keiner Zeit etwas „Unsagbares“ darstellte. Er will „vielmehr zeigen, dass die bis heute omnipräsente These von der vermeintlichen Tabuisierung von Tod und Sterben in der modernen Gesellschaft einen wichtigen Bestandteil jener kulturkritischen Problemdiagnosen … markierte, die die Zeitgeschichte des Lebensendes prägten.“ Ihm geht es darum, „das Verdrängungsnarrativ aufzubrechen und konsequent zu historisieren, seinen Erfolg zu erklären und seine Folgen zu analysieren.“

Montag, 19. Februar 2024

Der Friedhof als kommunales Erfolgsprojekt der Zukunft

Dieses von der Initiative „Raum für Trauer“ herausgegebene Buch verspricht im Titel, dass der Friedhof der Zukunft ein kommunales Erfolgsprojekt werden kann. Dafür wird zugleich "Theorie und Praxis für Entscheider" geliefert. Der ideelle Träger der Initiative ist die Arbeitsgemeinschaft Friedhof und Denkmal e. V. in Kassel. Die Initialzündung dazu aber ist aus der Kunstgießerei Strassacker in Süßen gekommen, deren stellvertretender Geschäftsführer Günter Czasny das Projekt des "Campus Vivorum", um das es in diesem Buch geht, am Firmensitz ins Leben gerufen hat. Elf Autorinnen und Autoren aus unterschiedlichen mit dem Friedhof verbundenen Berufsfeldern stellen ihre Sicht auf die zukunftigen Räume der Trauer in insgesamt elf Beiträgen dar. Nach einem gemeinsamen Vorwort der Herausgeber geht es dabei um die Oberthemen "Friedhof und Gesellschaft", "Friedhof und Trauer", "Friedhof und Raum" und "Friedhof und Experimente".

Das Thema Trauer wird dabei von unterschiedlichen Seiten beleuchtet, wobei die Beiträge oft zu der in den letzten Jahren immer stärker hervorgehobenen Erkenntnis kommen, dass Trauer einen Ort braucht und dass Trauernde an diesem Ort, also am Grab, Trauerhandlungen durchführen möchten. Gemeint ist damit das Ablegen von Blumen und Gegenständen; das Gedenken an die oder den Verstorbenen, z.B. auch in Form von Bildern; die Aufstellung eines Grabsteins; das Schmücken und Pflegen der Grabstelle. 

Sonntag, 21. Januar 2024

transmortale XIII - Tagungsprogramm

Blick in das Museum für Sepulkralkultur in Kassel (Quelle)

Die dreizehnte "transmortale – Neue Forschungen zum Thema Tod", die "deutschlandweit einzigartige Tagung zu den Themen Sterben, Tod und Trauer" findet in diesem Jahr am Samstag, 23.03.2024 von 10 bis 17 Uhr im Museum für Sepulkralkultur in Kassel statt. Neu ist, dass in diesem Jahr die Stiftung Deutsche Bestattungskultur als Unterstützer und Kooperationspartner zu den Veranstaltungspartnern hinzutritt. Zunächst ist eine Zusammenarbeit bis 2028 vereinbart. 

Die Stiftung versteht diese Kooperation als Signal "für mehr Grundlagenforschung, interdisziplinären Austausch und Schaffung öffentlicher Formate zum Austausch von Erfahrungen, Gedanken und Ideen". Die Tagung wird dabei finanziell gefördert und Dr. Simon Walter, Kulturbeauftragter der Stiftung, ist dem Organisationsteam beigetreten. Wie immer bietet die jährlich stattfindende Tagung jungen Wissenschaftler*innen und anderen interessierten Forschenden eine Plattform für das Forschungsfeld Sterben, Tod und Trauer. Sie sind angesprochen, ihre Perspektiven in größerer Runde vorzustellen und zu diskutieren. Ziel ist eine interdisziplinäre Auseinandersetzung, die empirische und theoretische Ansätze zusammenführt und einen intensiven Austausch eröffnet.

Donnerstag, 11. Januar 2024

Gräber, Grüfte und Gebeine. Tod in der Frühen Neuzeit.

2009 hat sich in Berlin die Arbeitsgemeinschaft Sepulkralkultur der Neuzeit (ar.se.n.) zur Erforschung kulturhistorischer Erscheinungsformen gegründet, „die mit Sterben, Tod, Bestattung, Totengedenken, aber auch damit verbundenen Emotionen wie Trauer und Trost in der Frühen Neuzeit zusammenhängen“. 2022 haben vier Mitglieder der Arbeitsgemeinschaft unter dem Titel "Gräber, Grüfte und Gebeine. Tod in der Frühen Neuzeit" einen umfangreichen Sammelband herausgegeben, der sich der vielfältigen Bestattungskultur dieser Zeitspanne (ca. 1500–1800) widmet. Beteiligt sind daran Wissenschaftler unterschiedlicher Disziplinen. Sie vertreten neben der Archäologie der Neuzeit die Anthropologie, Kunstgeschichte, Geschichte, Europäische Ethnologie und Theologie, sowie die Restaurierungswissen-schaft mit ihren differenzierten Untersuchungsmethoden jener Relikte, die in Gräbern und Grüften gefunden werden. Im Jahr der Gründung von "ar.se.n." erschien übrigens in „Ohlsdorf – Zeitschrift für Trauerkultur“ ein ausführlicher Beitrag über die Gruft unter der Parochialkirche in Berlin-Mitte, die im vorliegenden Band in verschiedenen Beiträgen eine Rolle spielt und deren Erforschung sozusagen als Ausgangspunkt der Arbeitsgemeinschaft angesehen werden kann.

Samstag, 6. Januar 2024

Ausstellung "Sterblich sein" in Wien

Im Wiener Dommuseum ist noch bis zum 25. August 2024 die Ausstellung "Sterblich sein" zu sehen. Wie auf der Website zu lesen ist, befasst sich die Ausstellung mit dem Lebensende und zwar im Rahmen der Kunst. Es werden Kunstwerke, die einen kulturhistorischen Bogen vom Mittelalter bis zur Gegenwart spannen, einander gegenübergestellt. Damit soll "der tiefen Bedeutung von Tod nicht nur im individuellen, sondern auch im kollektiven und gesellschaftspolitischen Kontext" nachgespürt und "intime, persönliche Ansätze ... genauso ... wie die öffentliche, politische Rolle des Sterbens und die Auseinandersetzung damit" beleuchtet werden.

Dazu gibt es im Netz ein ausführliches Begleitheft, in dem die ausgestellten Kunstwerke vorgestellt werden. Nur wenig bezieht sich darunter so direkt auf einen Bestattungsplatz wie die Blätter aus der Serie "Zu Besuch beim Todt – Herr Stifter läd’ ein", die Maria Bussmann (geboren 1966) 2023 geschaffen hat.
Illustration der Gartenlaube 1872 (Quelle wikimedia)

Adalbert Stifters Text "Ein Gang durch die Katakomben" beschreibt das Netz aus Gängen und Gewölben unter dem Stephansplatz, wo bis ins 18. Jahrhundert der Friedhof der Kirche lag. Zu Stifters Zeiten lagen die Toten dort in offenen Särgen und es war schmutzig und dunkel. 

Für ihre Bildserie hat die Künstlerin auch die Totenbücher aus dem Domarchiv genutzt, in denen die Namen der in den herzoglichen Grüften Begrabenen aufglistet sind. Im Begleitheft heißt es dazu: "Durch Vignetten, die an jene der Totenbücher erinnern, eröffnet Bussmann eine Sicht auf Szenen, die einer verkehrten Welt entsprungen scheinen. Hier sind etwa die Skelette höchst lebendig dabei, ihr Tagwerk zu verrichten, während die Tourist*innen wie geisterhafte Gestalten wirken. Maria Bussmann macht diesen Zwiespalt des Totengedenkens offenkundig. Zwischen Heiligkeit und Grausen liegt eine tiefe Verunsicherung, die sich als menschliche Grundkonstante erweist: Mitten im Leben ist der Tod nah." (Zu den Katakomben siehe auch die Gartenlaube von 1872)